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Eigentlich sollte man meinen, dass den Gerichten datenschutzrechtliche Grundsätze zumindest dem Grunde nach bekannt sind. Eines Besseren haben uns kürzlich das Amtsgericht Marienberg und das Oberlandesgericht Dresden gelehrt.

Beide hielten offene Besucherlisten für Prozessteilnehmer und Rechtsanwälte für zulässig. Erst der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen wies auf den offenkundigen Verstoß gegen den Grundsatz der Vertraulichkeit hin und stellte klar, was eigentlich schon jeder (naja fast jeder) weiß: offene Besucherlisten sind seit der DSGVO ein „No Go“.

 

Worum geht es?

Dort wurden neben den gewöhnlichen Einlasskontrollen Kontrollen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie durchgeführt. Hierzu musste sich jeder Besucher, um Zugang zum Gericht zu erhalten, am Eingang in eine fortlaufende, tabellarisch geführte Liste („Besucherkarte“) eintragen und dabei – für alle nachfolgenden Besucher lesbar – Name, Anschrift und Telefonnummer sowie das Aktenzeichen und den Sitzungssaal der Verhandlung angeben. Als sich ein Rechtsanwalt und sein Mandant weigerten die Liste auszufüllen, wurde ihnen der Zugang zum Gerichtsgebäude verwehrt.

Die Folge war, dass das Gericht den Rechtsbehelf des Mandanten verwarf, da in der Hauptverhandlung ohne ausreichende Entschuldigung nicht erschienen sei.

Da sich das OLG Dresden auf die Seite des Amtsgerichts stellte, blieb dem Betroffenen nur der Gang zum Landesverfassungsgericht.

 

Wie entschied der Verfassungsgerichtshof Sachsen?

Kurzum, der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen stellte eine eklatante Verletzung von Artikel 5 abs. 1 lit. f) DSGVO, also des Grundsatzes der Vertraulichkeit fest.

Durch die Zugangsverweigerung wurde somit auch das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt.

Indem das Oberlandesgericht Dresden die beantragte Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts trotz des Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör versagt hat, hat es selbst das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt.

 

Fazit

Eigentlich wäre dieser Fall kaum einer Erwähnung wert gewesen. Das Thema offene Besucherlisten wurde auch schon vor der Corona-Pandemie hinlänglich diskutiert.

Umso bemerkenswerter ist es, dass gleich zwei Gerichte, darunter auch ein Oberlandesgericht, einen der fundamentalen Grundsätze der DSGVO verkennen.

Dies zeigt einmal mehr, dass die DSGVO offenbar noch nicht vollständig in Verwaltung und Justiz angekommen ist. Konsequenzen – im Sinne von Bußgeldern – drohen staatlichen Stellen in solchen Fällen – anders als Unternehmen – jedoch nicht. Vor diesem Hintergrund bleibt zu befürchten, dass es auch in näherer Zukunft noch zahlreiche E-Mails mit offener Empfängerliste, Besucherlisten und unzulässiger Abfragen persönlicher Daten seitens staatlicher Stellen geben wird, bevor auch diese Datenrechte der Bürger beachten und selbst mit gutem Beispiel voran gehen.

 

Marco Koehler, LL.M., 04.06.2021

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